Nach 14 Jahren investigativem Lokaljournalismus stellt die „Tegernseer Stimme“ ihren Betrieb ein. Die Online-Zeitung, die sich mit kritischen Berichten über Superreiche und Lokalpolitik im Tegernseer Tal einen Namen gemacht hatte, erreichte zeitweise bis zu 80.000 Leser täglich. Dennoch geht das Medium nicht aus finanziellen Gründen, sondern aufgrund von Personalmangel vom Netz.
Herausgeber Martin Calsow, bekannt für seine scharfen Kommentare gegen Lokalpolitiker, AfD-Funktionäre und die wohlhabenden Bewohner der Region, sieht die hohen Lebenshaltungskosten als Hauptgrund für das Aus. „Nur wenige können es sich leisten, am Tegernsee zu wohnen“, sagt Calsow. Trotz intensiver Suche und über 40 Bewerbungsgesprächen konnte kein geeignetes Redaktionsteam gefunden werden.
Die „Tegernseer Stimme“, 2010 vom Unternehmer Peter Posztos gegründet, verstand sich als Gegenpol zur als „oberflächlich“ empfundenen lokalen Konkurrenz. Unter Calsows Leitung polarisierte das Blatt mit ungeschönten Berichten über soziale Missstände, Bauprojekte und politische Verflechtungen. Diese Haltung brachte dem Team nicht nur Anerkennung, sondern auch Anfeindungen: Von Droh-E-Mails mit verstörenden Bildern bis hin zu einem Galgenstrick vor der Redaktionstür.
Trotz des Erfolgs im Jahr 2024, das gleichzeitig das beste Jahr der Zeitung war, ist nun Schluss. Calsow hebt die Bedeutung von kritischem Lokaljournalismus hervor, um Menschen nicht an radikale Chatgruppen und soziale Medien zu verlieren. Ob es in Zukunft ein Comeback geben wird, lässt er offen. sueddeutsche.de