Burkhard Ewert ist Chefredakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung und Chefredakteur für Politik & Gesellschaft des Verbundes von NOZ Medien und Medienholding Nord, wo überregionale Inhalte für zahlreiche Medienhäuser wie Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag, die Kölnische Rundschau und die Schweriner Volkszeitung gebündelt werden. Er gibt außerdem den wöchentlichen Newsletter „Rest der Republik“ heraus, der den Blick auf die 99,5 Prozent der Deutschen wirft, die nicht im Berliner Regierungsviertel leben und will damit den Bürgern in der Fläche eine Stimme geben.
Wie geht es der Zeitung und dem Journalismus außerhalb der Metropolen?
Nicht mehr jedes Haus traut sich die Transformation zum erfolgreichen digitalen Anbieter zu, weil es an Personal mangelt, an Zeit, an Geld oder an anderen Faktoren. Gleichzeitig eröffnen sich allerdings Chancen. Wem es gelingt, im digitalen Raum hinreichend Leser zu finden, dem bietet die perspektivische Kostenentlastung bei Druck und Logistik gerade im ländlichen Raum mit seinen weiten Wegen Möglichkeiten, das Geschäft als lokales Medienhaus weiterhin erfolgreich zu betreiben. Wir haben inzwischen klare Hinweise darauf, dass dies bei uns wie anderen gelingt.
Wohin entwickelt sich der Lokaljournalismus in der Fläche? Wie gut funktioniert die Digitalisierung und wie entwickelt sich das Themenspektrum?
Auch in der Fläche publizieren Kommunen und Kirche, Vereine und Firmen Botschaften, die ihnen wichtig sind, zunehmend selbst. Für den Lokaljournalismus bedeutet das eine Herausforderung mit einer allerdings sehr positiven Folge. Wo die „Sender“ nicht mehr auf Medien angewiesen sind, um die Menschen zu erreichen, und wo sie ihre Informationen selbst digital verbreiten, sind die Medien umgekehrt nicht mehr auf die Multiplikatoren angewiesen. Das ändert nicht die Themen an sich, hat aber Einfluss auf die Perspektive und den Umgang mit Meinungen. Journalisten können also auch im Lokalen freier und kritischer auftreten gegenüber jenen Instanzen, die sie früher vielleicht nur milde angefasst haben, aus der Sorge heraus, dass andernfalls ein Informationsfluss versiegt. Andere, kleine Akteure haben es vorgemacht, Blogger, Initiativen, frei arbeitende Reporter. Vielleicht hätten regionale Medien das schon immer in stärkerer Weise tun sollen. Jetzt aber besteht die Gelegenheit – und in meinen Augen auch die absolute Notwendigkeit, freier und kritischer zu sein, um sich seine Relevanz zu erhalten beziehungsweise eine neue zu erarbeiten. Wir müssen uns von den sich selbst vermarktenden Digital-Kommunikatoren abheben.
Mit „Rest der Republik“ versenden Sie jede Woche einen Newsletter und blicken vorbei an der Berliner Blase und den Metropolen auf die Fläche. Warum ist das wichtig und welche Themen funktionieren auf dem Lande?
Das „Deuschland-Ticket“ ist dort ein Witz, wo nur einmal am Tag ein Bus fährt und das noch in die falsche Richtung. Mit dem Geld, das man gebrauchen könnte, um dort Konzepte zu erarbeiten, wird nun derjenige ÖPNV-Fahrgast in den Ballungsräumen subventioniert, der ihn ohnehin bereits genutzt hat. Der Bürger in der Fläche bezahlt das mit, während ihm obendrauf die Nutzung des eigenen Autos zunehmend verleidet wird durch steigende Kosten, geringeren Parkraum, regulierende Auflagen und moralisierendes Gemoser. Ein anderes Beispiel: Während sich in Berlin die Minister Friseure und Visagisten leisten, kann der Normalbürger nicht einmal die Kosten seiner Krawatte steuerlich absetzen. Und dann wundert man sich, dass der Eindruck einer Spaltung entsteht? Zentral ist auch die Frage der Wertschätzung. Ich bin überzeugt davon, dass es bei den Bauernprotesten im Winter zentral darum ging und nicht um Geld. Im linken und urbanen Milieu wird gerne von Vielfalt geredet. Ein Bauer, ein Jäger, das Schützenfest, eine Nonne oder einfach jemand, der in seinem Haus am Feldrand wohnt, sein Kaminholz hackt, sein Geld selbst verdient und ansonsten einfach in Frieden leben möchte, die scheinen bei diesem Konzept der Vielfalt nicht vorgesehen zu sein. Sie werden stattdessen sogar verspottet und verurteilt von Leuten, die sich moralisch über sie erheben und also genau das tun, was man früher einem Spießbürgermilieu vorgeworfen hat, oft auch zurecht. Diese mangelnde Toleranz ist nun auch umgekehrt zu erleben. Das weckt Widerstände, die mich nicht überraschen.
Newsletter „Rest der Republik“
Burkhard Ewert
Foto: Michael Gründel