Internet-Pionier Wolfgang Macht über Online-Journalismus und den Unterschied zwischen Hamburg und Berlin

Wolfgang Macht ist Gründer und bis heute Kapitän der Netzpiloten; und gehört zu den Pionieren des Internets in Deutschland und des Online-Journalismus in seinen verschiedenen Spielarten. Wolfgang hat die Turbulenzen der Digitalen Revolution mitgemacht, von der New Economy bis zur raumgreifenden Digitalisierung. Neben dem Standbein in Hamburg, kuratiert Wolfgang den Work- und Eventspace „Amplifier“ in Berlin – und arbeitet ohnehin viel mobil.

Die Netzpiloten gibt es schon „immer“. Ihr seid in den 90er Jahren gestartet. Wie haben sich Online-Medien und der Online-Journalismus verändert über die Jahrzehnte?

Für mich ist damals wie heute die Kombination aus Inhalten und neuen Technologien der besondere Kick im Online-Publishing. Das hat mich Mitte der 1990er Jahre dazu begeistert, die ins Netz strömenden Nutzer*innen mit redaktionellen Rundtouren (sogenannte Webtouren“) an die Hand zu nehmen. Später haben wir das Blog-Universum gefeiert, dann das Micro-Blogging auf Tumblr, Twitter und schließlich das Podcasting.

Ich bin im Herzen ein Text-Guy, weshalb ich für Bewegtbild eher am Bildschirmrand stehe. Meine unbändige Neugier gilt jetzt den KI-gestärkten und -getriebenen Produkten, die wir erleben werden.

Als werbefinanzierte Plattform hat uns über die Jahre das traffic-getriebene und SEO-verpflichtete Publishing mitunter oft sehr frustriert. Vielleicht sollte man sich davon freimachen (oder auf die KI hoffen). Ich teste aktuell die Wege raus aus der reinen Werbefinanzierung in Richtung eines purpose-orientierten Journalismus für die Netzpiloten.

Würdest Du heute noch empfehlen, ein Online-Magazin zu starten und welche Tipps würdest Du Journalisten geben, die sich im digitalen selbstständig machen möchten?

Ich finde es nach wie vor wunderbar, im Digitalen zu publizieren. Die Potenziale der Tools, Plattformen und Audiences sind nach wie vor unglaublich groß. Für alle Neueinsteiger ist natürlich die Frage der Plattform und der Mediensorte essentiell. Wer eher textorientiert arbeitet, wird nach wie vor mit der WordPress-Welt im Blogging oder im Magazin-Bereich gut bedient sein. Dort herrscht auch nach wie vor die größte Hoheit über die eigenen Texte. Wen es auf YouTube, Insta, TikTok und Konsorten zieht, muss sich klar sein, wie stark seine Arbeit und Sichtbarkeit von deren sich ständig austobenden Algorithmen abhängen. Als junger Medienmacher würde ich heute vermutlich auf Twitch experimentieren, weil dort der Live-Charakter etwas Hochexklusives hat gegenüber den Fake- und Quellen-gestressten Medienkanälen.

Du arbeitest teilweise in Hamburg, teilweise in Berlin. Gibt es in Sachen Medien Unterschiede?

In Hamburg bin ich beruflich groß geworden. Hier bekamen die Netzpiloten ihre erste Förderung und begannen ihre lange Indie-Karriere im Digitalen. Anfangs gab es starke Berührungspunkte zu den journalistischen Flaggschiffen wie Spiegel und Gruner & Jahr. Wir waren begehrte Partner auf deren Stop and Go in die digitale Transformation. Das haben wir dann irgendwann nicht mehr fortgeführt. Auch heute noch ist die Hamburger Medienwelt stark auf die klassischen Medienmarken ausgerichtet. Wir engagieren uns aktuell im Space – einem high-quality Innovationsraum für die Medien- und Digitalbranche von nextMedia.

Berlin ist für mich seit 2002 Playground für experimentelle Projekte. Die Netzpiloten haben dort den Work- und Eventspace AMPLIFIER mitbegründet. Wir wollten raus aus der digitalen Bubble und uns in Veranstaltungen einem breiteren Publikum öffnen. In unseren Veranstaltungen begegnen wir innovativen Journalismus-Projekten wie „Correctiv“ oder den wichtigen Exil-Medien.

Foto: Katja_Hentschel